Präambel
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater sehen ihre zentrale Aufgabe in der fachlich qualifizierten Beratung und Begleitung von Menschen mit partnerschaftlichen, familiären oder persönlichen Problemen, Konflikten und Entwicklungswünschen. Sie setzen ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zum Wohl der Klienten verantwortungs- und respektvoll entsprechend ihrer christlichen Grundhaltung ein, nach der Gott zu einem Leben in verantwortlicher und gelingender Beziehung beruft. Diese Haltung verbindet sich mit ihrem Berufsethos und den fachlichen Regeln. Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater verstehen den Menschen als ganzheitliche Person, von Gott immer angenommen und geliebt, gesellschaftlich und geschichtlich bezogen, eingebunden in vielfältige und für seine Entwicklung unterschiedlich bedeutsame Beziehungen und familiäre Konstellationen.
Die Beziehungen, in denen Kinder, Frauen und Männer leben, geben ihnen Sinn, Lebensfreude und Bestätigung. Sie sind ihnen Hilfe, Herausforderung und Aufgabe.
Die Familie in ihren vielfältigen Formen ist für die meisten Menschen der Raum, in dem sie aufwachsen, soziale Erfahrungen sammeln und ihre Prägung erfahren. Dabei sind Krisen, Brüche, erneute Bemühungen in der Partnerschaft und das Scheitern von Beziehungen sowie sich verändernde Familienformen Teil der erlebten Wirklichkeit.
Globale politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen nehmen Einfluss auf Menschen, ihre Lebensgestaltung und ihre Beziehungen, ihre Hoffnungen und Erwartungen an das Zusammenleben von Mann und Frau und der Familie. Eine positive, beziehungsbejahende Lebensgestaltung wird für Frauen und Männer zu einer immer anspruchsvolleren Herausforderung, zumal sie sich der ausschließlichen Machbarkeit entzieht. Trotzdem bleibt die gegenseitige Annahme in Liebe und Treue Sehnsucht und Lebensaufgabe der Menschen, die in einer Ehe oder anderen Formen verbindlicher Partnerschaft miteinander leben.
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater bieten eine spezifische, eigenständige Form fachlich qualifizierter Beratung für Menschen in existentiell kritischen und manchmal bedrohlichen Situationen des Lebens, der Partnerschaft oder der Familie.
Die fachlichen Standards psychosozialer Beratung, wie sie gemeinsam im Deutschen Arbeitskreis für Jugend-, Ehe- und Familienberatung vereinbart wurden, sind Bestandteil des beruflichen Selbstverständnisses.
Beratung, wie sie die Mitglieder des Bundesverbandes verstehen, ist verwurzelt in der seelsorglich-pastoralen Tradition der Kirche.
Kirchlicher Auftrag ist es, sich den Menschen mit all ihren Hoffnungen, Ängsten und Nöten zu zuwenden. Es ist der Beratung ein besonderes Anliegen, dass das Leben in Ehe, Familie und anderen partnerschaftlichen Lebensformen gelingt.
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater bemühen sich um eine konstruktive, an den Bedürfnissen der Ratsuchenden orientierte Kooperation mit den lokalen und regionalen psychosozialen und pastoralen Diensten.
Die Beratung findet in den jeweiligen Beratungsstellen vor Ort und auch online statt.
1. Aufgabenfelder der Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen
und -berater
Ehe-, Familien- und Lebensberatung ist ein integrierter Bestandteil der psychosozialen Versorgung der Gesellschaft und des pastoralen Dienstes der Kirche. Sie respektiert die Entscheidung der Menschen für ihre Form des Zusammenlebens und der Gestaltung der Beziehung. Ihr Ziel ist es, Menschen dabei zu unterstützen, die Qualität ihrer Beziehung zu sich selbst, zu ihren Partnerinnen und Partnern, zu ihren Kindern und Herkunftsfamilien zu verbessern, Leid tragen und mildern zu helfen, Krisen zu bewältigen, neue, befriedigendere Wege der Lebensgestaltung zu finden.
Zu ihren Aufgaben zählen:
Beratung von Einzelpersonen, Paaren und Familien
Prävention
Öffentlichkeitsarbeit und politische Arbeit
Mitarbeit im Netzwerk kirchlicher und staatlicher Gremien
1.1 Beratung von Einzelpersonen, Paaren und Familien
Ehe-, Familien-, Lebensberaterinnen und -berater sehen ihre Aufgaben in der psychologischen Beratung von Einzelpersonen, Paaren und Familien. Sie begleiten Menschen in vielfältigen Lebens- und Krisensituationen im persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Umfeld. Ziel der Beratung ist es, Klientinnen und Klienten dabei zu unterstützen, ihre Probleme und Konflikte zu erkennen und Wege zu ihrer Bewältigung zu entwickeln. Beratung nutzt die persönlichen und familiären Ressourcen und ist bestrebt, durch die Entwicklung neuer Orientierungen und Verhaltensalternativen eigenverantwortliche Entscheidungen zu ermöglichen und die Fähigkeit zu stärken, Beziehungen zu anderen Menschen eingehen und aufrechterhalten zu können.
1.1.1 Rahmenbedingungen der Beratung
Ehe-, Familien- und Lebensberatung ist ein zeitlich begrenzter, zielgerichteter kommunikativer Prozess. Beratung ist offen für alle Klientinnen und Klienten, unabhängig von Weltanschauung, Religion, Herkunft und sexueller Orientierung.
Beratung ist ein Angebot, das die Klientinnen und Klienten freiwillig in Anspruch nehmen.
Beratung ist vertraulich. Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater unterliegen der Schweigepflicht.
Die Beraterinnen und Berater arbeiten in einem multiprofessionellen Team. Sie nehmen regelmäßig an Supervision und Fortbildung teil.
Die Beraterinnen und Berater beraten im Kontext der Jugendhilfe, wenn Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung behandelt werden und minderjährige Kinder mit betroffen sind.
1.1.2 Der Prozess der Beratung
Beraterinnen und Berater orientieren sich an dem Anliegen, dem Auftrag und den Ressourcen der Klientinnen und Klienten. Ihre Interventionen sind darauf gerichtet, Einzelne, Paare und Familien dabei zu unterstützen, in einem dialogisch gestalteten Prozess ein tieferes Verständnis der eigenen Person, ihres Beziehungsgeflechtes sowie der bestehenden Konflikte zu gewinnen. Erreichbare Ziele werden definiert, neue Handlungsmöglichkeiten gemeinsam entwickelt und hilfreiche Entscheidungen in den Blick genommen.
Die kontinuierliche Reflexion des Beratungsprozesses ermöglicht Veränderungen von Interventionen und/oder Zielsetzungen und führt schließlich zur Beendigung der Beratung.
Beratung ist Begleitung auf Zeit. Ihre Dauer richtet sich nach dem Prozessverlauf, den Bedürfnissen der Klienten und der Einschätzung der Beraterinnen und Berater gemäß den fachlichen Standards.
1.1.3 Grundlagen der Beratung
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater beziehen den aktuellen Erkenntnisstand aus Praxis und Wissenschaft, insbesondere der psychologischen, psychotherapeutischen und beraterischen Forschung in ihr beraterisches Handeln mit ein. Sie tragen dazu bei, dass das tätigkeitsbezogene Wissen und die gewonnene Erfahrung dem wissenschaftlichen Diskurs zugeführt werden können.
1.1.4 Elemente der Beratung
Sie bieten Beratung im Einzel-, Paar-, Familien- oder Gruppensetting an. Sie richten sich nach der Situation und den Anliegen der Klientinnen und Klienten und entscheiden nach fachlichen Kriterien.
Das beraterische Angebot beinhaltet:
Psychologische Beratung
Begleitung (Hilfe bei vorübergehenden oder andauernden Belastungen)
Anleitung (Handlungsmöglichkeiten in umschriebenen Problemsituationen erweitern)
Information
1.1.5 Qualitätssicherung
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater überprüfen die Qualität ihrer Beratung in der kontinuierlichen, prozessbegleitenden Reflexion mit den Klientinnen und Klienten, in kollegialer wie externer Supervision sowie mit unterschiedlichen Methoden. Die Wirksamkeit der Beratungsarbeit wird immer wieder empirisch evaluiert.
Die Arbeit in einem multiprofessionellen Team dient der persönlichen Reflexion, dem Klienten bezogenen fachlichen Austausch, ermöglicht Kooperation und fördert die professionelle Weiterentwicklung.
1.2 Prävention
Ehe-, Familien- und Lebensberater nutzen ihre fachliche Kompetenz und die Erfahrungen aus der Beratungsarbeit, um die kirchliche sowie gesellschaftliche Öffentlichkeit über entwicklungsbedingte kritische Phasen menschlichen Lebens zu informieren. Sie wissen, dass frühe Hilfen dazu beitragen, unnötiges Leid zu verhindern oder zumindest zu lindern. Sie machen auf Tendenzen in Gesellschaft und Kirche aufmerksam, die zu Störungen oder Beeinträchtigungen im Lebensalltag führen können (Seismografenfunktion). Sie nehmen auf politische, gesellschaftliche und kirchliche Entwicklungen Einfluss, um Belastungen und Schäden vorzubeugen oder sie positiv zu beeinflussen.
1.3 Öffentlichkeitsarbeit
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater informieren über Tätigkeiten, Aufgaben und Erfahrungen der Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Sie fördern Verständnis und Bewusstsein für konflikthafte Entwicklungen und Strukturen in Gesellschaft und Kirche.
1.4 Vernetzung und Kooperation
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater arbeiten im Netzwerk von psychosozialen, psychotherapeutischen, medizinischen, sozial- bzw. heilpädagogischen und kirchlichen Einrichtungen vor Ort mit. Die Kooperation dient dem regelmäßigen Informations- und Erfahrungsaustausch mit den anderen Fachdiensten.
Sie hilft somit auch, die Klienten gezielt zu informieren und im Bedarfsfall eine angemessene Hilfe zu vermitteln.
2. Berufsethische Standards
Um den Schutz der Klienten und die Wahrung ihrer Menschenwürde und Autonomie sicherzustellen, verpflichten sich Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater zur Einhaltung ethischer Standards.
Die fachliche Fort- und Weiterbildung und die Sicherung der fachlichen Qualität gehört zu den ethischen Verpflichtungen der Beraterinnen und Berater.
3. Weiterbildung zur Ehe-, Familien- und Lebensberaterin, zum Ehe-, Familien- und Lebensberater
Die Ausübung der Tätigkeit als Ehe-, Familien- und Lebensberaterin und -berater setzt eine Weiterbildung zur Ehe-, Familien- und Lebensberaterin und zum Ehe-, Familien- und Lebensberater voraus.
Zwei Formen der Weiterbildung stehen gleichberechtigt nebeneinander:
Zum einen die Weiterbildung auf Diözesanebene möglichst in Kooperation mehrerer Diözesen, zum anderen im Rahmen des Masterstudienganges Master of Counceling EFL in Kooperation mit einer Hochschule. Beide Möglichkeiten werden in Abstimmung und mit Genehmigung der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Beratung, Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. durchgeführt. Sie erstrecken sich über eine Dauer von 4 Jahren und entsprechen der Weiterbildungsordnung der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Beratung, Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. (BAG) sowie des Standards des Deutschen Arbeitskreises für Jugend-, Ehe- und Familienberatung (DAKJEF).
4. Strukturelle Anbindung
Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater des Bundesverbandes arbeiten in katholischen und ökumenischen Beratungsstellen sowie in integrierten Beratungsstellen, die Beratung für Eltern, Kinder und Jugendliche anbieten. Sie arbeiten als Angestellte oder auf Honorarbasis. Angestellte Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater werden gemäß den Tarifverträgen in den jeweiligen Diözesen eingestellt. Honorarverträge werden nach den diözesanen Richtlinien abgeschlossen.