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07.05.2014
Zeitgeschichte in Lebensgeschichten - Suhl

Suhl_2014

07.-10.05.2014

Am 8. Mai 2014 jährt sich das Ende des zweiten Weltkrieges zum 69. Mal. Aber ist der Krieg wirklich zu Ende? Die Generation der Männer, Frauen und Kinder, die diese schlimmen Erfahrungen machen mussten, sind alt. Es werden immer weniger, die aus eigenem Erleben darüber berichten können. Die Zeit der Wende ist uns näher, liegt aber auch schon zwanzig Jahre zurück - warum sollten sich Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater noch mit diesen Themen beschäftigen? Sollte man das Vergangene nicht ruhen lassen?
In den Beratungsgesprächen erfahren wir, dass schwer lastende Erlebnisse von Kriegsteilnehmern, Frauen, Männern und Kindern sich in die Erinnerung, in das Körpergedächtnis eingegraben haben, häufig so tief, dass man nicht darüber sprechen kann, ja, dass sie gar nicht mehr erinnert werden. Wir wissen, dass Unausgesprochenes; Abgespaltenes wirksam bleibt.
Es ist allgemeine Erfahrung, dass Lebensgeschichten von zeitgeschichtlichen Ereignissen mit beeinflusst, ja geprägt werden: Väter, die lange im Krieg waren, fehlen, Arbeitslosigkeit zwingt zum Wohnortwechsel, kriegerische Ereignisse führen zu Flucht und Vertreibung: Ereignisse, die Lebensgeschichten von einzelnen und ganzen Familien über Generationen belasten. 

Gesicherte beraterisch-therapeutische Erfahrung über alle Schulen hinweg ist, dass unverarbeitete traumatische Erlebnisse, belastende Ereignisse aus der Generation der Großeltern und Eltern auch in der Gegenwart ihre unheilvolle Wirksamkeit entfalten: Beratungsverläufe zeigen oft eindrücklich, wie sich schwere Schicksale, wenn sie nicht gekannt und verarbeitet sind, im Familiensystem als Blockaden in der Kommunikation, als psychische und physische Krankheiten oder auch als Beziehungsstörungen ausdrücken können:

Trauer und Schrecken aus der Kriegszeit entfalten auch in den nachfolgenden Generationen ihre oft nicht verstandene, unheilvolle Wirksamkeit. Sie sind von einer in Gesellschaft, Politik und auch Seelsorge häufig unterschätzten Aktualität.

Wenn diese alten unbearbeiteten Erfahrungen ins Bewusstsein gehoben, in ihrer Bedeutung gesehen und zur Sprache gebracht werden können, werden aktuelle Konflikte dadurch verstehbar und lassen sich häufig auflösen. Versöhnen und Verzeihen werden möglich. wenn behutsame Rituale innere Haltungen verändert werden können, wenn Ungelöstes zur Sprache kommt. Dabei spielt die Auseinandersetzung mit dem Thema „Schuld“, sei es als echte Schuld, oder als Schuldgefühl – eine zentrale Rolle.

Jenseits der Auseinandersetzung mit der individuellen Schuld ist die Schuldfrage umstrittenes Thema in der politischen Diskussion: Welche Schuld - wenn überhaupt – haben wir als nachfolgende Generation zu tragen?

Näher ist uns die Zeit der Wende. Auch hier sind Verwerfungen zu beobachten, die sich aktuell auf die Familiensituationen auswirken: Statusverlust durch die Veränderung des politischen Systems, unbeglichene Rechnungen, wenn man erfährt, welche Informationen vermeintliche Freunde an die Staatssicherheit weitergegeben haben. Wie sind die Belastungen aus Schuld und Verstrickung zu lösen?

Tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen, wie die Abwanderung der jungen Generation infolge der schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Heimatgemeinde bleiben nicht ohne Auswirkungen auf das Familiensystem. Ging es uns früher nicht besser? Hat die Wende das Leben nicht schwerer gemacht, unsere Familie zerstört? Ist schon zusammengewachsen, was zusammengehört, oder sind wir uns immer noch fremd geblieben?

 

„Zeitgeschichte in Lebensgeschichten“: Das Thema lädt ein, auch über den deutschen Tellerrand hinauszublicken: Die zunehmende Zahl der Männer, Frauen und Kinder, die aus verschiedensten Gründen ihre Heimat verlassen haben und nach Deutschland gekommen sind, bringen ebenfalls ihre „Lebensgeschichten in Zeitgeschichte“ mit. Auch hier kann Beratung helfen, Lebensgeschichten zu befrieden, was bisher nicht ausgesprochen werden konnte, im geschützten Rahmen zur Sprache zu bringen. Beratung ist oft Versöhnungs- und Friedensarbeit, die in ihrer politischen Bedeutung selbst von uns Beraterinnen und Beratern oft unterschätzt wird. Es bedarf besonderer Aufmerksamkeit, die jeweiligen kulturell unterschiedlichen Erfahrungen in binationalen Ehen und Familien ausreichend zu würdigen und Raum zu geben für gegenseitiges Verstehen.

 

Der Diskurs in der beraterisch-psychotherapeutischen Landschaft zeigt, dass wir mit „Zeitgeschichte in Lebensgeschichten“ für unsere Jahrestagung 2014 eine Thematik aufgegriffen haben, die immer mehr in den Fokus beraterisch-therapeutischen Arbeitens und Verstehens rückt.

Ziel der Jahrestagung ist es, durch die Referate und Arbeitsgruppen dazu beizutragen, die Beraterinnen und Berater für die Wirkung von unverarbeiteten schweren Erlebnissen in früheren Generationen bis in die Gegenwart hinein weiter zu sensibilisieren, ihren Blick zu weiten, sie noch weiter zu befähigen, Unverarbeitetes in Sprache bringen zu helfen, Wege zur Bewältigung zu entdecken.

Das inhaltliche Angebot der Jahrestagung wird ergänzt durch vielfältige Möglichkeiten der Begegnung, spirituelle Impulse und den festlichen Abend. Ein besonderer Höhepunkt ist die Eucharistiefeier am Samstagmorgen.

Wir danken der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Beratung, Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. sowie der Katholischen Bundeskonferenz für Ehe-, Familien- und Lebensfragen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Unser Dank gilt auch dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Förderung der Jahrestagung als zentrale Fortbildungsveranstaltung.

Wir wünschen Ihnen, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Jahrestagung, dass Sie durch die Vorträge und in den Arbeitsgruppen anregende Impulse für Ihre Beratungsgespräche bekommen, die Ihnen helfen, noch wirksamer helfen zu können.


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